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Andy erwartete uns jedesmal am Ausleger der Kranbrücke der Bohrinsel SEDCO-H. Wir waren gerne gesehene Gäste. Unser Besuch unterbrach jedesmal die Isolation und stupide 6-stündige Wachroutine auf der Öl-Plattform. Drohend, unheimlich, so schien es mir, als wir sie kennenlernten, war es ganz anders. Gute Kameraden - Jeder träumt wohl davon, einmal ein solches technisches Ungetüm kennen zu lernen. Wer hat nicht schon einmal gedacht, was wohl die Männer da oben tun, woher sie kommen und was sie bewegte, diesen gefährlichen Job zu tun. Wie kommt man an sie heran, mit wem muß man sich in Verbindung setzen – und dann ist nicht mal ein „Bitte“ notwendig, sondern nur ein Winken und last not least einfach eine eindeutige Handbewegung nach oben.- So einfach ist das. Vielleicht hat nur einfach alles nur zusammengepaßt, an jenem Tag, als ich mit zwei Familien einen Ausflug zu der Ölpattform machte. Versprochen hatte ich nichts. Ich sagte, daß wir dort hinfahren, uns die Sache mal von näher betrachten und dann an der Küste entlang segeln. Die Erlebnisse sollten unseren ganzen Plan durcheinanderwürfeln. Wie ich hinterher erfuhr, war die Bohrinsel zur Revision und stand auf ihren drei Beinen auf Grund, der an dieser Stelle etwa 19 m Tiefe hatte. Die Besatzung bestand aus sechs Männern mit unterschiedlichen Berufen. Jose hatte die Aufgabe übernommen, uns von der ESPERANZA abzuholen. Wir hatten uns dafür entschieden, das Schiff mit einer langen Leine an einer der sechs Begrenzungstonnen festzumachen. Er begrüßte uns immer mit einem freundlichen Lächeln. Direkt an diesem gewaltigen Objekt anzulegen war zu gefährlich. Etwa gegen 10 Uhr morgens, als erfahrungsgemäß der Seewind einsetzte, legten wir im Hafen Vinaros ab und fuhren im direkten Kurs auf die etwa 2 Meilen östlich von Casas de Alcanar stehende Plattform zu. Wir umrundeten sie und ich sah auf der etwa 30 m über dem Wasserspiegel befindlichen Arbeitsebene zwei Männer stehen, die uns beobachteten. Wahrscheinlich deshalb, weil wir doch etwas zu nahe an das Objekt herangefahren waren. Vielleicht auch aus Neugierde. Jedenfalls bedeutete ich allen an Deck nun einmal kräftig zu Winken und irgendwie ritt mich dann der Teufel, ich machte eine eindeutige Handbewegung nach oben und der Mann auf der Plattform signalisierte mit geöffneter Hand, einen Moment zu warten. Minuten später ließen sie das Beiboot an dem dafür vorgesehenen Kran herunter und ich sagte, daß nun die gesamte Crew sich dahinein begeben sollte.- Ich selbst blieb auf dem Schiff, da ich zunächst keine Möglichkeit sah', an diesem Riesenobjekt anzulegen.- Es erschien mir einfach zu gefährlich, denn selbst bei ruhiger See schwappte das Wasser gefährlich an die Standbeine. Die Kettenglieder hatten einen Durchmesser von etwa 30 cm – Dimensionen, die alles zuvor gesehene in den Schatten stellten. Die Grundfläche eines der Standbeine war so groß, daß man einen Tanzsaal daraus machen konnte.
Als meine Gäste mit dem Beiboot der Bohrinsel am Kran hinauf fuhren, dachte ich für mich, es kann doch nicht wahr sein und ich kämpfte mit der Rührung – so etwas hatte ich nicht erwartet. Die Segel hatten wir vorher geborgen und ich ließ das Schiff einfach auf der Stelle stehen, ab und zu startete ich den Motor, um es wieder auf die richtige Position zu bringen. Nach etwa zwei Stunden sah' ich dann plötzlich alle zusammen am Kran. Ich konnte es kaum erwarten, bis sie wieder an Bord waren, ich brannte vor Neugierde. Es hatte keiner mehr großes Interesse am Segeln. Ich schlug vor, doch nach Benicarlo zu fahren, dort in einer Bar gemütlich zu sitzen und etwas zu trinken. Und sie erzählten – von Mannschaftsräumen, Bohrgestänge, Diamantbohrköpfen usw. - Zu eindrucksvoll war dieser erste Besuch auf der Bohrinsel gewesen.
Als wir zurück nach Vinaros fuhren und dort
anlegten, sprach sich
die Nachricht des Besuches auf SEDCO H in Windeseile herum, jeder
wollte
einmal mit hinausfahren, mit den Männern dort reden. Fragen
über
Fragen. Ferran, mein Stegnachbar und bekannter Maler in Vinaros bat
mich,
doch ihn und einen Freund und den Familien mit hinauszunehmen und einen
Besuch zu organisieren, was ich dann auch tat, denn das Thema war
brandheiß.
Als uns José von der Plattform mit dem Beiboot abholte,
schlug er
vor, doch mein Boot an einer Begrenzungstonne des Sperrgebietes mit
einer
langen Leine festzumachen, damit der Superintendent mich
persönlich
begrüßen könnte. So fuhren wir also hinauf
und ich hatte
Gelegenheit, mir alles genau ansehen zu können. Richard zeigte
uns
die Mannschaftsräume, in denen 40 Mitarbeiter wohnten.
Normalerweise
befinden sich an einem Einsatzort immer eine Arbeits- und eine
Wohnplattform.
In der Kantine befanden sich sechs Tische, die fest mit dem Boden
verankert
waren, ein Buffet mit Cafeteria. Der Koch lächelte uns
freundlich
entgegen.- Im Nebenraum befand sich ein Schulungszimmer, mit Videos und
einem englischen Billard. Deutlich erkennbar
sind hier die beiden Ausleger
für die Abfackeldüsen. Im Vordergrund einer meiner
Gäste,
die häufig mit mir segelten. Richard war sehr freundlich und führte uns in alle Sektionen der Insel mit einem Gewicht von etwa 9.600 Tonnen, in den Maschinenraum mit Generatoren von über 5000 Ps, einer Seewasserentsalzungsanlage, die ca. 40 Liter Süßwasser pro Minute produzierte, einer Niveau – Regelanlage, die zu jedem Zeitpunkt die Insel automatisch horizontal stabilisierte, sonst wohl hätte man nicht Billard spielen können. Das heißt, die Ketten (an jedem Standbein drei) wurden automatisch nachgezogen. Natürlich stieg ich auch die schmalen Stufen zum Bohrturm hinauf, um zu erfahren, wie das Bohrgestänge eingeführt wird. Wie mir Richard erklärte, ist SEDCO H eine Spezialplattform, die nur dann eingesetzt wird, wenn die Probebohrung ein undeutliches Bild des Ölfeldes ergeben hat und man nicht wußte, in welcher Tiefe sich das Öl befindet. Die Männer kamen aus allen Teilen der Welt, Richard aus Kanada, Andy aus Südafrika, Pew aus Portugal usw. Man verdiente damals als Spezialist etwa 3.500 US-Dollar, ein Newcomer 1.000 Dollar weniger. Der Wechsel der Crew vollzog sich alle 30 Tage. Die Flüge in die Heimat übernahm die Gesellschaft. Impulsiv luden wir
die Besatzung von SEDCO H zu
einer Besichtigung von Vinaros am darauffolgenden Sonntag ein. Ich
ließ
mir vom Superintendent die Telefonnummer geben, damit ich um Besuche
bitten
konnte. Die Gesellschaft tolerierte dies zwar, jedoch mußte
man dies
nicht an die große Glocke hängen.-
Der Sonntag kam, wir fuhren hinaus und holten sie alle,
bis auf einen
ab. Eine Wache mußte auf der Insel bleiben, falls ein
Telefonanruf
kam, oder ähnliches. Damit wir schneller waren, benutzten wir
das
Motorboot von Ferran, der mit 30 Knoten auf die Insel zusteuerte. Unser
Ziel war zunächst einmal der „Steg 13“,
internes Wort für unsere
Club-Bar im Sportboothafen Vinaros, um der Jahreszeit entsprechend eine
Erfrischung
zu nehmen. Anschließend fuhren wir auf der Promenade Richtung
Norden
und hielten an einer der reizvollen fjordähnlichen Buchten,
deren
Kies ich mehr bevorzuge, als einen Sandstrand – Kenner
wissen, wovon ich
rede. Anschließend, nachdem wir dem Wunsch von Ferran's
Freund nachgekommen
sind und seinen englischen Pub besucht hatten, trafen wir uns alle im
Restaurant
Mallorqui zur Paella. Obligatorisch für Spanien. - Es war
für
die Männer eine neue Erfahrung, auch einmal Land und Leute
kennenzulernen
und als wir mit der ESPERANZA am Spätnachmittag wieder
zurückfuhren,
ließ ich mit „Rolling Home“ mein
Akkordeon sprechen, Andy ist davon
fast weggeschmolzen – das Eis war gebrochen, wenn es jemals
welches zwischen
uns gegeben hat. Als wir die Crew wohlbehalten wieder ablieferten,
baten
wir den Superintendent doch ebenfalls unsere Einladung anzunehmen. Er
willigte
ein.- Bei der Rückkehr lud er uns mit Familien (man glaubt es kaum), zu einer Grillparty auf der Bohrplattform ein. Es waren etwa 15 Leute und so mußten wir beide Schiffe nehmen.- Der Koch hatte sich richtig ins Zeug gelegt und man hatte eine Tafel und einen offenen Grill aufgebaut.- Es gab alles und vom Besten. Nach der Besichtigung trafen wir uns alle im Schulungsraum und man drängte mich, doch eine Partie Billard mit dem Superintendent zu spielen, was ich dann auch tat. Ich glaube, er ließ mich absichtlich gewinnen – jedenfalls war ich plötzlich der Sieger, obwohl ich einer der schlechtesten Billardspieler bin. Ich hatte später noch Kontakt mit Andy und Pew,
aber als die Bohrplattform
nach Angola geschleppt wurde, um dort zum Einsatz zu kommen, verflachte
dieser nach einer gewissen Zeit. Andy besichtigte in Stuttgart eine
Angora
– Rabbit Farm, wie er sagte, da er in Südafrika eine
eigene Farm mit
dem Geld, das er verdient hatte, aufbauen wollte. Er hatte auch den
ständigen
Schichtwechsel satt – die Arbeit ist eben doch nicht so
ungefährlich.
Ein sogenannter „Blow up“ ist unter der Besatzung
sehr gefürchtet.
Eine unvergessliche Erinnerung aus der richtigen Zeit am richtigen Ort.
Dem Heimathafen meines Schiffes.
Herb, der Superintendent der zweiten Crew hatte den Kranausleger montieren lassen, mit dem das Bohrgestänge in die Aufname, die durch den runden, roten Deckel abgesichert ist. Mit den gelben Armen (Bild links oben) werden die Elemente zum Bohrschacht transportiert. Die zweite Crew unter Superintendent Herb war etwas reservierter. Dennoch durfte ich mit zwei Crews eine Besichtigung machen. Allerdings mit der Maßgabe, Schwimmwesten zu tragen. Verständlich eigentlich, denn immerhin befand sich die Arbeitsplattform in etwa 35 m Höhe über dem Wasserspiegel. Ich bin mir jedoch trotzdem nicht sicher, ob jemand einen Sturz aus solcher Höhe überlebt hätte. Meine englische Sprachkenntnisse sind leider nicht so
gut, daß
ich alles verstanden hätte, aber die Anzahl der Besuche gaben
mir
immer wieder Gelegenheit, detailliert nachzufragen. Herb
erklärte
uns, daß das Bohrgestänge (der eigentliche
Diamant-Bohrkopf
hatte lediglich einen Durchmesser von etwa 5 cm),
schachtelförmig
das heißt, die Durchmesser wurden immer
größer mit dem
roten Kranarm, der inmitten der Bohrgestängeelemente lag, in
die rote
Aufnahme eingeführt wird. Je nach Untergrund, können
die Bohrarbeiten
unter Umständen Monatelang dauern. Gefürchtet ist der
sogenannte
Blow Up, das Auschießen des Gas-Öl-Gemisches. Der
Driller bzw.
Bohrer ist während dieser Zeit voll gefordert, er kann keine
Sekunde
seine Aufmerksamkeit von der oberen Bohröffnung lassen. Falls
er Alarm
gibt, hat die gesamte Crew nur 6 Sekunden Zeit, die gasdichten
Unterkünfte
zu erreichen, die sich dann sofort hermetisch verschließen
und wer
draußen bleibt ist verloren. Für alle Fälle
steht ein Rettungsboot
für 52 Mann bereit, das ebenso gasdicht ist. Weiterhin
befindet sich
ein Hubschrauberlandeplatz oben auf der Plattform. |
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